Im Quartier Talweg-Himmelsberg-Nordfeld im Celler Stadtteil Vorwerk leben ca. 60 Flüchtlingsfrauen mit ihren Familien. Nach anfänglich positiver Stimmung gegenüber den neuen Bewohner/innen, spiegelt die Atmosphäre im Quartier derzeit die im Bundesgebiet wieder - es gibt Vorbehalte, Ängste, Misstrauen, Neid.
2018 eröffnete eine Steuerungsgruppe aus Akteurinnen des Quartiers, koordiniert durch die Zuwanderungsagentur, die "Frauen(t)räume - Räume für Frauen" zur Begegnung, Bildung und Integration. Der partizipatorische Ansatz ermöglicht es, Ängsten, die nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen werden, zuzuhören, und sie anhand von Wünschen und eigenen Ressourcen in positive Handlungen umzuwandeln. Zur Eröffnungsfeier kamen 80 Menschen aus dem Quartier und aus Celle. Die "Frauen(t)räume" sind im Stadtteil angekommen. Sie befinden sich in einer Doppelhaushälfte mit Garten, es gibt 3 Gruppenräume, eine Küche, ein Spielzimmer, eine Terasse, Vorgarten + Garten. Nachbarinnen und Kinder des Quartiers kommen zu Veranstaltungen oder einfach so vorbei. Das Haus hat viel Neugier entfacht!
"Frauen(t)räume" sollen maximal geöffnet sein. Eine Woche könnte so aussehen: Montags Gartenprojekt und offene Sprechstunde; Mittwochs Sprechstunde und Teestube als niedrigschwelliges Kommunikationsangebot; Donnerstags selbstverwalteter Nachbarschaftsselbsthilfetreff und abends Veranstaltungen zur beruflichen Entwicklung (u.a. Fit für den Job/Zurück in den Beruf) sowie Diskussionsrunden, Freitags Selbsthilfetreff Body&Soul. Dienstags und am Wochenende wird das Zentrum spontan für selbstverwaltete Aktivitäten genutzt.
Kinder nutzen das Kinderspielzimmer/den Garten unter mütterlicher Aufsicht bzw. bei speziellen Veranstaltungen mit Betreuung.
2019 sollen mehr Frauen mit und ohne Fluchthintergrund zusammenkommen und sich gegenseitig stärken, die Nutzerinnen der Frauen(t)räume sollen Vorreiterinnen für Integration im Quartier werden. Vorgesehen sind bisher: Das Feiern lokaler+interkultureller Feste, Vorbilder-Projekt zum 8. März, Vereinsgründungsworkshops, internationales Themenkochen, Generationenstammtisch, interkulturelle Stadtführungen, Mobilitätstraining, Selbstbehauptungskurse, Smartphone-Schulungen, Quartiergestaltungsprojekte, Arabischkurs für Deutschsprachige, After-Work-Gespräche für hauptamtliche Frauen, Sportangebote, Trauercafé, Musik-/Filmworkshops, Vermittlung von Mentorinnen o. Praktika. Ideen aus dem Quartier werden bei Realisierung des Angebots berücksichtigt.
Im Quartier sehen wir derzeit 3 Problemlagen:
- Innerhalb der gut vernetzten Institutionen im Stadtteil (u.a. im Sozialraumgremium) und der Projektpartnerinnen in unserer Steuerungsgruppe gibt es gute Angebote für viele Zielgruppen, sowie asylrechtliche und soziale Beratung.
Jedoch spricht kein gemeinwesenorientiertes Angebot ausschließlich Frauen und Mädchen an, wobei Frauen durch ihren sozialen Einfluss auf Kinder, Partner und Nachbarn die Multiplikatorinnen für Integration sind.
- Im Talweg wurden im Frühjahr 2018 zwei deutsche Sintifamilien nach langwierigen Problemen zwangsgeräumt. Die Anwohner/innen im Quartier sprechen von einer Periode, in der sie Angst auf der Straße hatten, Angst, ihre Kinder draußen spielen zu lassen. Angst, die jetzt endlich vorbei sei. Diese Erlebnisse haben Vorurteile jedoch bekräftigt und Integrationsbemühungen behindert, weil die Anwohner der Analogie Sintifamilie=Ausländer=Flüchtlinge folgen. Neue Konflikte werden als kumulierend wahrgenommen und verstärken die Vorbehalte. Deutsche Familien ziehen weg, wenn weitere folgen, kann das die Brennpunktbildung des Stadtteils verstärken.
- Die Frauenerwerbsquote im Quartier ist gering. Viele Frauen (speziell die mit Fluchthintergrund) sind aufgrund von Betreuungsarbeit von Aktivitäten außerhalb des Quartiers abgeschnitten oder in der Aufnahme von Erwerbsarbeit gehindert. Teilweise fehlt die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse oder Sprachkenntnisse. Die Gründe für den berichtet hohen Anteil an Hartz-IV-Empfängerinnen unter den Frauen ohne Fluchthintergrund müssen noch erforscht werden. Dabei sind viele Familien aufgrund niedriger Gehälter auf ein Einkommen der Frauen angewiesen.