Der coronabedingte Lockdown auf den Ostfriesischen Inseln bedeutete gleichzeitig einen Shutdown - von 100% auf 0% Touristen innerhalb weniger Tage. Die Gastronomie, die Hotels und sonstigen Beherbergungsbetriebe mussten schließen, die Verwaltungsmitarbeiter von Woche zu Woche die neuen Verordnungen auf den Inseln umsetzen. Die Insulaner waren plötzlich wieder unter sich - wie vor den 60er-Jahren, wo im Winter fast keine Gäste da waren. Da gab es noch richtige Saisonzeiten von April bis Oktober. Die Inseln bilden generell eben aufgrund der einseitigen Wirtschaftsstruktur von „100%-Tourismus-Destinationen“ einen Sonderfall in Niedersachsen. Sie sind höchstens mit anderen Inseln vergleichbar und ggf. hochfrequentierten Küstenorten ähnlich. Das prägt natürlich auch die Arbeits- und Lebensbedingungen der Bewohner und das Miteinander. Die pandemiebedingte Ausnahmesituation hat eine Menschenleere auf den Inseln erzeugt, die nur in den ersten 2 bis 3 Wochen von den Insulanern als erholsam empfunden werden konnte. Schnell traten Existenzängste zutage, aber auch ein Wundern darüber, wie wenig man in den letzten Jahrzehnten von der eigenen wachsenden Inselgemeinschaft noch wusste. Man traf auf Mitmenschen, die keinen bis kaum Kontakt hatten zur Inselgemeinschaft, obgleich die kleinen Inseln nur zwischen 500 und 1.800 Bewohner haben, und die während des Lockdowns Unterstützung benötigten. Die Insellotsinnen, die gerade im ersten Aufbau von GWA auf Juist, Spiekeroog und Wangerooge waren, übernahmen sofort das "Kümmern" auf den Inseln. Das hat noch deutlicher gezeigt, wie notwendig und wertvoll eine gut funktionierende GWA ist und daran soll in den folgenden 3 Jahren angeknüpft werden. Das Dachprojekt soll dabei die wichtige Rolle des Vernetzters einnehmen und soll den Insellotsinnen weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, aber insbesondere die institutionelle und Akteursvernetzung zwischen den drei Inseln aufbauen und verstetigen. Zudem sollen die Schlüsselakteure der anderen Ostfriesischen Inseln angesprochen und zum "Inselübergreifenden Erfahrungsnetzwerk GWA" verknüpft werden. Die Anträge der 3 Inseln Juist, Spiekeroog und Wangerooge sehen diese koordinierenden Arbeiten vor. GWA soll ohne Förderung dann mit Eigenmitteln weiter betrieben werden. Die restl. Inseln wollen von den Erfahrungen lernen und sollen über das Netzwerk Einblicke in den inselspez. Aufbau von GWA ziehen. Leitgedanke ist: "Geht's den Gastgebern gut, fühlt sich auch der Gast wohl".
Insulaner wohnen dort, wo pro Jahr 1,5 Mio. Menschen gerne Urlaub machen. Es ist wunderschön auf den Inseln, aber es leben immer weniger Insulaner dort. Die Lebens- und Arbeitssituation hat sich aufgrund des erfolgreichen Marketings der letzten Jahrzehnte völlig verändert. Die teilweise ganzjährige Auslastung der Inseln führt zur erhöhten Arbeitsbelastung. Saisonkräfte in der Tourismuswirtschaft kommen vielfach aus dem europäischen Ausland und haben eigene „Inselgemeinschaften“ gebildet. Die Attraktivität der Inseln hat den Zuzug von Wohlhabenden zum Problem werden lassen. Wegen des „Ausverkaufs“ der Inselimmobilien an Zweitwohnungsbesitzer können sich immer mehr Insulaner das Leben und Altwerden auf der eigenen Insel nicht mehr leisten und ziehen aufs Festland, spätestens wenn im Rentenalter das Einkommen sinkt und die inadäquate ärztliche und pflegerische Versorgungssituation spürbar wird. Die Wohnraumsituation ist insgesamt prekär. Es fehlt Wohnraum für Inselbewohner und damit auch für Menschen, die in der Gemeinschaft aktiv sind.
Die „Einwohnerzahl“ steigt in der Hauptsaison auf ein Vielfaches. Daher fokussiert sich kommunales Handeln hauptsächlich auf den Gast und weniger auf die soziale Gemeinschaft. Ein „Unter sich-Bleiben“ wie früher in der Winterzeit gibt es nicht mehr, die sozialen Strukturen bröckeln, Ehrenamt wird nicht mehr besetzt. Durch den coronainduzierten Lockdown wurde sichtbar: Es gibt Vereinsamung, Hilfestrukturen fehlen. Im Umgang miteinander führte dies zu Stress. Bevölkerung, Verwaltung und Politik wollen umdenken und die Erfahrungen und Erkenntnisse der Coronazeit nutzen, um die Selbstheilungskräfte zu beleben und GWA institutionell zu verankern.