Wir schreiben des Jahr 1986. Aus einer Nachbarschaftsinitiative gründet sich der – noch heute unabhängige - Verein REFUGIUM Flüchtlingshilfe e.V. um Geflüchteten aus Sri Lanka die Integration in Braunschweig zu ermöglichen. Über die Jahre professionalisiert sich der Verein und bezieht 1999 sein Quartier in der Braunschweiger Innenstadt. Hier erfolgte Investitionen beschränkten sich auf Konsum und Tourismus, und nicht auf die dort lebenden Menschen. Der hohe Zuzug von Geflüchteten ab 2015 verändert erneut das Stadtbild und die Arbeit des Vereins. Es wird bunter, aber auch die sozialen Konflikte häufen sich. Die Beratung wird ausgebaut, um den Migrant:innen ein Ankommen zu ermöglichen. Doch mittlerweile wird klar, dass Einzelfallberatung allein nicht ausreicht. Integration und friedvolles Zusammenleben kann nur im Gemeinwesen erfolgen.
2020 – die Pandemie hinterlässt ihre Spuren. Sie bremst Integrationsprozesse und verstärkt Isolierung. Corona wirkt als Katalysator bei der Verschärfung der gesellschaftlichen Polarisierung, zudem verändert sich das Bild der Innenstadt (Ladenschließungen).
Unser Projekt SQuaT möchte dem etwas entgegensetzen, um zumindest im eigenen Quartier Solidarität und soziale Teilhabe zu ermöglichen und den Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit, sowie gegen Rassismus und Ausgrenzung zu stärken. Drei Bausteine hat das Projekt:
1. Beratungs-Café: Wir bieten eine offene und niedrigschwellige Beratung für alle Bewohner:innen. Ziel ist die Entlastung der Betroffenen, um Kapazität und Lust für gemeinschaftliche Aktionen zu generieren.
2. Community-Lab: Ein Raum, der von Anwohner:innen gestaltet (z.B. Werkbank, Nähmaschinen,…) und mit eigenen Ideen besetzt (engl. „squat“) wird. Wir geben ihnen einen Ort, sich selbst zu organisieren, sich auszuprobieren, um eigene Angebote zu entwickeln. Unsere Aufgabe ist die Begleitung, Ermöglichung und kritische Reflexion, um Selbstwirksamkeit erfahrbar zu machen.
Für diese beiden Aspekte können wir bereits vorhandene Räumlichkeiten im Hinterhof des Refugiums nutzen.
3. Stadtteil-Projekte: Wir holen die Menschen da ab, wo sie wohnen. Nach gemeinschaftlicher Bedarfsanalyse (z.B. Zukunftswerkstatt) entwickeln wir Projekte im Stadtteil (z.B. Urban Gardening im Hinterhof, Fotoaktionen…), um das Quartier gemeinsam wohnlich zu gestalteten und auf Probleme gemeinschaftlich zu reagieren. Dadurch wird die Nachbarschaft gestärkt, Konflikte abgebaut und die Lebensqualität verbessert.
Der Kern der Braunschweiger Innenstadt ist von starken Kontrasten geprägt. Der Glanz der Schlossarkaden und Edelboutiquen bricht sich am vergrauten Matt einfacher Wohnblöcke. Die Strahlkraft der touristischen Attraktionen verblasst in vernachlässigten Hinterhöfen und in Nebenstraßen gedrängte Kleinstgewerbe. Die baulichen Gegensätze spiegeln sich im Sozialen wider. Bereits jetzt ist sichtbar, dass diese Gegensätze durch die Pandemie verstärkt werden.
So erhält ein überdurchschnittlicher Anteil der Menschen in der Innenstadt Transferleistungen. Die damit verbundenen eingeschränkten Teilhabemöglichkeiten betreffen überdurchschnittlich Menschen mit Migrationshintergrund (35% im Stadtteil), von denen über die Hälfte keine dt. Staatsangehörigkeit besitzt. Zudem sind 2/3 der Haushalte in der Innenstadt Singlehaushalte.
Diese Situation verdichtet bestehende Problemlagen. Die Vereinsamung und schlechte Lebenssituation führt zu der Personalisierung von strukturellen Problemen (Vermüllung, Alkoholismus im öffentlichen Raum, Obdachlosigkeit), die sich in gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit äußert. Verstärkt wird dies durch das Fehlen von Räumen und Angeboten zur Gemeinschaftsbildung. Problematisch ist zudem, dass die Menschen, die in der Innenstadt wohnen, nur eingeschränkt an den dortigen Kulturangeboten partizipieren können, dafür aber durch die hier generierten Probleme (Müll, Lärm) besonders betroffen sind.
SQuaT setzt genau hier an. Die unmittelbare Lebenswelt aufgreifend, aktivieren wir die Menschen, sich ihre Nachbarschaft gemeinsam und solidarisch anzunehmen. Wir bündeln bestehende Ressourcen um Konflikte abzubauen und die Wohnqualität vor Ort zu verbessern.