Der Flecken Liebenau befindet sich 15 km süd-westlich von der Kreisstadt Nienburg/Weser entfernt. Die nächstgelegenen Oberzentren Hannover und Bremen sind jeweils gut 60 km entfernt und nur mit Fahrtzeiten von ca. 1 Stunde zu erreichen. Abwanderung der einheimischen Bevölkerung einerseits und hohe Zuwanderung aus dem Ausland andererseits stellen den Ort vor besondere integrative Herausforderungen, der Ausländeranteil unter den rund 4000 Einwohnern beträgt knapp 20%. Unternehmen im Umland bieten Beschäftigungsmöglichkeiten im Niedriglohnsektor, gleichzeitig gibt es viele „verwahrloste Immobilien“, der Wohnraum ist entsprechend günstig. Diese Kombination macht Liebenau zu einem beliebten Ankunftsort für Zuwanderer, insbesondere aus den südosteuropäischen Ländern, hier gilt Liebenau als „Hotspot“ im Landkreis. Viele Ortsgebiete sind von Ausgrenzung und Benachteiligung betroffen, die Bewohner mangelhaft integriert. Um das Gemeinwesen von innen heraus zu stärken, fokussiert die erste Projektphase die Aufwertung der Liebenauer Waldsiedlung, die exemplarisch für ein besonders benachteiligtes Gebiet steht. Die dort gesammelten Erkenntnisse werden in der zweiten Phase auf weitere Gebiete übertragen und angepasst. Eine Anlaufstelle mit multifunktionaler Nutzung und dem Charakter eines offenen Treffs bietet Bewohnern die Möglichkeit von Austausch, Begegnung und Co-Working. Eine feste Ansprechperson mit Beratungs- und Vernetzungsfunktion begleitet und koordiniert Prozesse. Beratungsangebote zur Stärkung der Integration und Teilhabe (z.B. Migrationsberatung, Familien- und Seniorenbüro der Samtgemeinde), aber auch zur Wohngebäudesanierung sind ebenfalls vertreten. In einem (Kreativ-)Wohnraum können sich Künstler, Kulturschaffende, Handwerker, Studierende etc. für einen begrenzten Zeitraum zurückziehen und im Gegenzug ihrer Profession entsprechend zur Aufwertung der Siedlung beitragen. Die Arbeit zu Themen der Kommunikation, Konfliktlösungsstrategien und Gemeinschaftsbildung stärken das siedlungsinterne Miteinander. Möglichkeiten zur Selbstorganisation mit dem Ziel der öffentlichen Interessenvertretung werden erörtert. Im Rahmen partizipativer Projekte wird das Gebiet gemeinschaftlich aufgewertet. Die Prozesse werden im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit sichtbar gemacht, um das Image der Siedlung zu verbessern. Ziel ist die Gestaltung und Potenzialentfaltung sowie die Implementierung von GWA im gesamten Ort. Das Projekt richtet sich generell an alle Einwohner Liebenaus.
Liebenau ist geprägt von Gebieten, die mangelhaft integriert und von Ausgrenzung betroffen sind. Die Wohngebäude weisen bauliche Mängel auf, der Wohnraum ist günstig, teils überbelegt, und zieht Menschen aus sozial schwachen Verhältnissen an. Der landkreisweit höchste Ausländeranteil, besonders unter den EU-Zugewanderten, für die die betroffenen Gebiete in der Hoffnung auf eine Beschäftigung im Niedriglohnsektor beliebte Ankunftsorte sind, führt zu immensen soziokulturellen Differenzen. Die Fluktuation ist sehr hoch, die Motivation zur Aufwertung des Wohnumfeldes und die Etablierung von nachbarschaftlichem Miteinander entsprechend gering. In der Öffentlichkeit haben diese Gebiete ein sehr negatives Image, sie werden von Anwohnern benachbarter Gebiete gemieden, tlws. kommt es zu Leerständen in diesen Grenzbereichen, Abgrenzungstendenzen drohen sich zu verschärfen. Exemplarisch für ein besonders benachteiligtes Gebiet steht die Waldsiedlung. Sie befindet sich in Ortsrandlage ohne Anbindung an den ÖPNV, die Gebäudestruktur stellt ein geschlossenes homogenes Ensemble dar. Erbaut in den 30er Jahren als Wohnsiedlung für Arbeiter der einst ansässigen Munitionsfabrik stehen die Gebäude mit mangelnder Substanz heute unter Denkmalschutz. Der Wohnraum ist günstig, die Bewohnerschaft stark heterogen. Eine gemeinsame Identität als Nachbarschaft und Identifizierung mit dem Wohnumfeld fehlt, das Konfliktpotenzial ist erhöht. Es gibt interne Spaltungstendenzen, sowohl innerhalb der Bewohnerschaft, als auch zwischen Mietern und Eigentümern. Das negative Image als sozialer Brennpunkt belastet die Siedlung bis heute, die Bewohnerschaft bleibt vom liebenauer Ortsgeschehen ausgeschlossen.